Siem Reap - Tempel vs. Pub Street

Unsere Fahrt von Bangkok nach Siem Reap verläuft unproblematisch, auch wenn die lange Fahrt tagsüber anstrengender ist als über Nacht. Wir fahren morgens vom Busbahnhof ab und erreichen die Grenze zu Kambodscha gegen Mittag.

 

Wir sind in Poipet.

 

Dort erklärt uns unser Busbegleiter mit Hilfe von Fotos, welche Stationen wir nun nacheinander besuchen müssen, um offiziell aus Thailand auszureisen und anschließend zu unserem Visum für Kambodscha zu kommen.

In dem Gewusel von Ständen, Straßenverkäufern und Transportvehikeln aller Art ist das Finden der Wegweiser und Gebäude nicht ganz so einfach. Dazwischen sind viele Leute, die versuchen, den Reisenden ihre Hilfe anzubieten, um die Visa anschließend zu überteuerten Preisen auszugeben. Der Lärmpegel und das Durcheinander ist enorm. Nach einigem Suchen sind wir auf dem richtigen Weg. Sowohl die Ausreise als auch das Visum und die offizielle Einreise nach Kambodascha klappen wie am Schnürchen, auch wenn wir für das Visum etwas mehr bezahlen müssen als die offizielle Gebühr. Die Grenzbeamten erheben eine zusätzliche „Bearbeitungsgebühr“, die kaum zu umgehen ist. Die Überlegung, deshalb eine Diskussion mit den Beamten anzufangen, stellt sich mit den Kindern nicht. Zu groß wäre der Stress für uns alle.

 

Später im Bus erfahren wir, dass unser Preis der derzeit Normale ist. Einige unserer Mitreisenden sind auf Betrüger hereingefallen und haben nicht unwesentlich mehr bezahlt. Unser Busbegleiter ist aufgebracht, hat doch seine ganze Hilfestellung nichts genützt. Nun wissen wir auch, wie die ganzen Schauergeschichten über den Grenzübergang zustande kommen, die im Internet und in den Reiseführern zu finden sind.

 

Dass Kambodscha anders ist als Thailand, merkt man schon deutlich an der Grenze. Die Gefährte verändern sich. Viele Motorroller und Mopes sind voll beladen mit Taschen, Tüten, Körben. Manche Leute ziehen ihre voll beladenen Wagen selbst.

Alles wirkt ärmlicher und schmutziger als in Thailand. Auch viele Menschen hier wirken bedürftiger. Kinder mit schmutzigen Kleidern und ohne Schuhe laufen durch die Menge, sitzen auf der Straße oder verkaufen etwas.

Um Dir einen Eindruck vom Grenzverkehr zu vermitteln, habe ich ein 3-Minuten-Film für Dich.

 

 

Gegen Abend kommen wir in Siem Reap an, werden gleich mit dem Tuk-Tuk zu unserem Hostel gebracht und sind froh, so unkompliziert angekommen zu sein.

Siem Reap ist – verständlicherweise – voller Besucher. Die meisten sind hier, um Angkor Wat zu besuchen, wie auch wir.

Dass Kambodscha ehemalige französische Kolonie ist, ist noch deutlich sicht- und spürbar. Es gibt viele Restaurants mit französischen Namen, französische Schilder und leckeres „richtiges“ Baguette, ganz zu Schweigen von den vielen Franzosen, die hier unterwegs sind.

 

Die Tuk-Tuk-Fahrer bieten lautstark ihre Dienste an, was das Gehen in der Stadt etwas anstrengend macht, weil man ständig damit beschäftig ist, die Angebote freundlich abzulehnen. Nein danke, wir wollen nicht mit dem Tuk-Tuk fahren, wir wollen gehen.

 

Im Zentrum gibt es einen großen Markt, auf dem man sich mit Kleidern, Mützen, Seidentüchern und Souvenirs aller Art eindecken kann. Leider hat jeder Stand fast das gleiche Angebot, die Auswahl hält sich in Grenzen. Auch hier ist der Konkurrenzdruck ähnlich hoch wie bei den Tuk-Tuk-Fahrern. Jeder potenzielle Käufer wird angesprochen, wir ertrinken in Kauf-Angeboten, meine Fluchtinstinkte werden aktiv.

 

Ein Geschäft, das ich besuche, verkauft Seidenartikel, die von benachteiligten Frauen in Kambodscha hergestellt werden. Viele von ihnen haben körperliche Behinderungen und es dadurch sehr schwer, eine Arbeit zu finden, die sie bewältigen können. Ihre Chancen auf eigenes Einkommen sind sehr schlecht, daher sind Projekte und Initiativen dieser Art ihre Chance, sich ihren Lebensunterhalt selbstständig zu verdienen.

 

In Kambodscha werde nuns noch viele spannende Projekte begegnen, die alle zum Ziel haben, das Leben der Menschen nachhaltig zu verbessern. Schulprojekte, die den Kindern armer Familien ermöglichen, eine Schule zu besuchen, Gesundheitsinitiativen, Hilfen für Veteranen und Minenopfer, um nur einen zu nennen.

 

Was uns auch wieder begegnet ist die Vergnügunsmeile der Stadt, sozusagen die Khao San Road von Siem Reap. Dieses Mal heißt sie Pub Street, der Name ist Programm. Eine Kneipe reiht sich an die nächste, es gibt Pizzerien, Burger und jede Menge Bier. Hier werden auch gegrillte Skorpione, Schlangen und Spinnen an Ständen präsentiert. Wenn man welche kauft, darf man den Stand fotografieren, ansonsten kostet ein Foto 50 cent. Sie verdienen mehr mit den Fotos, trotzdem sterben die Tiere nicht nur zur Belustigung der Touristen, in Kambodscha werden sie tatsächlich, neben einigem anderen Getier, gerne gegessen.

 

 

 

Aber zum Hauptgrund unseres Besuches.

Wir entscheiden uns, Angkor Wat mit einem Tuk-Tuk zu besuchen. Das scheint uns mit den Kindern die entspannteste Möglichkeit zu sein, von Tempel zu Tempel zu fahren.

Unser Tuk-Tuk-Fahrer des Vertrauens holt uns morgens um 4.45 Uhr ab, damit wir den Sonnenaufgang über Angkor Wat miterleben können. Am Ticket-Verkauf ist viel los, auch beim Tempel sind massenhaft Menschen, die auf die Sonne warten. Auf der Fahrt sehen wir einen Perlenkette aus Lichtern, alle von den Tuk-Tuks, die in einer langen Schlange zum Angkor Wat fahren.

 

Angkor Wat ist sehr beeindruckend. Im Dunkel betreten wir die Tempelanlage durch ein Tor und suchen unseren Weg, während der Tag langsam dämmert. Vor uns können wir schon die Umrisse von Angkor Wat erkennen, die mit dem zunehmenden Licht immer deutlicher werden.

 

Wir warten nicht vor dem Tempel auf den Sonnenaufgang, sondern gehen gleich hinein, um das schöne Morgenlicht vom Turm aus genießen können. Eine weise Entscheidung. Schon als wir dort ankommen, gibt es eine kleine Schlange von Menschen, die darauf wartet, über die steilen Stufen nach oben gelassen zu werden. Als wir später den Tempel wieder verlassen, ist die Wartezeit deutlich länger.

 

 

Weiter geht unsere Fahrt zum Ta Prohm, einigen leider besser bekannt unter dem Namen "Tomb Raider"-Tempel, nach dem gleichnamigen Film, der 2001 die Kinos eroberte. Einige Filmszenen wurden im Ta Prohm gedreht.

 

Die mit Bäumen bewachsene Tempelanlage hat eine ganz eigene Ausstrahlung, die mich in ihren Bann zieht. Riesige Bäume wachsen auf den Mauern, die Wurzeln graben sich ins Mauerwerk, zerstören es einerseits und halten es doch auch zusammen. 

Unser Fahrer erzählt uns, dass der Tempel Hinduismus und Buddhismus vereinigen sollte, weshalb er vom nachfolgenden König wieder geschlossen und teilweise zerstört wurde. Somit wurde er nur kurze Zeit genutzt. 

 

Als wir dort sind, sind wenige andere Besucher da, wir können den Tempel in aller Ruhe auf uns wirken lassen. 

Von allen Tempeln, die wir an diesem Tag sehen, hinterlässt dieser den tiefsten Eindruck bei mir.

 

Ta Keo erklimmen wir über seine steilen Stufen, die nach oben in den Turm führen. Dieser Tempel wurde dem Gott Shiva geweiht. Kurz vor der Fertigstellung des Tempels schlug der Blitz ein. Da dies als schlechtes Omen gedeutet wurde, wurde der Tempel aufgegeben.

Dass ein Bauwerk dieser Größenordnung einfach nicht fertig gestellt wird, weil der Glaube an die Rache der Götter so tief verwurzelt ist, übersteigt meine Vorstellungskraft.

 

Unser Tempelmarathon geht weiter.

Wir betreten Angkor Thom , die "große Hauptstadt", durch das Siegestor. Gekrönt ist es mit vier Gesichtern, die mit gütigem Blick in alle Himmelsrichtungen blicken. Unser Fahrer erklärt uns, dass hier der hinduistische Gott Brahma dargestellt ist, erkennbar an den Elefanten, die am Fuß des Tores stehen und ihren Gott begleiten.

 

Innerhalb der Mauern von Angkor Thom befinden sich viele verschiedene Tempelanlagen, auch der bekannte Bayon, der Tempel der vielen Gesichter. 216 sollen es sein, die uns bei unserem Rundgang beobachten. Gezählt habe ich sie nicht.

Sie wirken freundlich und erhaben, ich entgehe ihren Blicken kaum, so präsent wirken sie auf mich. Ich fühle mich klein und beobachtet zwischen diesen vielen Gesichtern, gleichzeitig strahlen sie eine Sicherheit und vielleicht sogar einen Hauch Geborgenheit aus. Aber vor allem wirken sie mächtig, eine gute Kombination für den Herrscher eines so großen Reiches.

 

 

Der Tempel Baphuon ist umgeben von Steinen. Reliefstück, Säulen und andere Bauteile, die verstreut herumliegen.

Während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer wurden die Aufzeichnungen zu diesem Tempel zerstört, sodass die Restaurierung nach wie vor andauert. Besonders an diesem Tempel ist der liegende Buddha, der in die Mauer eingearbeitet wurde und aus vielen kleinen Steinen zusammen gesetzt ist. 

 

Baphuon ist der letzte Tempel, für den wir Energie haben. Wir schlendern noch ein wenig durch die große Hauptstadt, aber aufnehmen können wir kaum mehr Eindrücke. Der Kopf ist voll, der Akku leer. 

Angkor Thom verlassen wir durch das Südtor, dort sehen wir links und rechts der Brücke eine lange siebenköpfige Schlange, die linksseitig von Göttern und rechts von Dämonen gehalten wird.

 

Diese Darstellung geht auf die Legende der Erschaffung des Universums zurück. Damals entdeckten die Götter und Dämonen, dass sie während der Schöpfung wichtige und wertvolle Dinge - unter anderem der Unsterblichkeitstrank Amrita - im Milchozean verloren hatten, die nur wiedergewonnen werden könnten, wenn sie das Urmeer gemeinsam quirlten. Dafür wurde die Schlange Vasuki um den Berg Meru gelegt, als Tau verwendet und hin und her gezogen, der Berg diente als Quirl. Nach der Überlieferung mussten Götter und Dämonen 1000 Jahre lang gemeinsam arbeiten, bis ihre verlorenen Kostbarkeiten wieder auftauchten, darunter auch die Apsaras,  die himmlischen Tänzerinnen, die überall in den Tempeln dargestellt werden. 

 

Auf unserer Rückfahrt beobachten wir noch eine Affenfamilie und fahren ein letztes Mal an Angkor Wat vorbei. Heute ist Sonntag, die Menschen aus der Umgebung nutzen die Grünflächen der Tempelanlagen, um sich zu erholen, zu picknicken und den Tag in ihren mitgebrachten tragbaren Hängematten zu verbringen. 

Eine schöne Art, den freien Tag zu genießen.

Wir sind für heute erschöpft und erfüllt mit unfassbar vielen Eindrücken.


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